Wir sind ein Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekt zu geschlechtlichen Identitäten und sexuellen Orientierungen. In Workshops mit Schulklassen, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bieten ehrenamtliche Teams die Möglichkeit, mit jungen lesbischen, schwulen, bi, trans*, inter* und queeren Menschen ins Gespräch zu kommen. Mittels pädagogischer Methoden und evaluierter Konzepte führen wir niedrigschwellig und unaufgeregt in die Themengebiete ein. Wir sprechen dabei über Lebenswirklichkeiten und Biografien, das eigene Coming-Out, Diskriminierungserfahrungen sowie Vorurteile und Rollenbilder.
Zwischen fünf und zehn Prozent aller Menschen sind nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung schwul, lesbisch, bi oder trans*. Statistisch gesehen sind das ein oder zwei Jugendliche in jeder Schulklasse. Unverständnis, Ausgrenzung und sogar Gewalt sind Erfahrungen, von denen die meisten LSBTIQ*Jugendlichen berichten – wohl auch, weil in deutschen Klassenzimmern über sexuelle Orientierung und Geschlechteridentitäten kaum gesprochen wird.
Das Deutsche Jugendinstitut veröffentlichte im Herbst 2015 erstmals eine bundesweite Studie zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bi, trans* und queeren (LSBTIQ*) Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Ergebnisse sind eindeutig:
Auch SCHLAU-Teamer*innen haben oft ähnliche Erfahrungen in ihrer eigenen Schulzeit gemacht. Für die meisten von uns Motivation genug, LSBTIQ*-Themen mit Schulklassen im Rahmen unserer Workshops anzusprechen. Ganz nach unserem Motto: Mit uns reden, statt über uns!
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Die Dauer unserer Workshops beträgt mindestens 90 Minuten. Aus Erfahrung empfehlen wir eine Dauer von mindestens 180 Minuten, um den Fragen der Jugendlichen noch besser gerecht werden zu können. Die Workshops werden von mindestens zwei SCHLAU-Teamer*innen geleitet, das Vier-Augen-Prinzip ist dabei jederzeit gewährleistet. Lehrkräfte bzw. Leitungen sind während der gesamten Workshopdauer ansprechbar und erreichbar, nehmen an den Workshops jedoch in der Regel nicht teil. Selbstverständlich achten wir auf eine zielgruppenorientierte und altersangemessene Planung und Durchführung unserer Veranstaltungen.
Die Vorbereitung des Workshops erfolgt in Absprache mit der Lehrkraft bzw. der pädagogischen Leitung. Auf Grundlage dieses Gesprächs erstellen wir ein für Ihre Jugendgruppe oder Klasse angepasstes Workshop-Konzept. Bitte kündigen Sie den SCHLAU-Workshop inhaltlich an, damit alle Bescheid wissen.
Zu Beginn des Workshops stellen wir den groben Ablauf vor, geben kurze Informationen zum Projekt und klären Organisatorisches. Zum Einstieg werden den Teilnehmenden unsere Gesprächsregeln vorgestellt. Die meisten sind aus Schulkontexten bekannt (z.B. „Ausreden lassen“, „Respektvoller Umgang“), andere werden ausführlicher erklärt (z.B. „Freiwilligkeit“, „Kein Outing“). Im Anschluss stellen wir verschiedene Begriffe vor und besprechen diese mit der Gruppe. Zu den Begriffen zählen verschiedene sexuelle Orientierungen (z.B. heterosexuell, bisexuell), geschlechtliche Identitäten (z.B. trans*, cis, inter*) und damit zusammenhängende Begriffe (z.B. Regenbogenfamilien, CSD).
Durch einen methodischen Einstieg führen wir in die Themengebiete geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung, Rollenbilder und Diskriminierung ein und bereiten die anschließende Fragerunde grundlegend vor. Im Hauptteil des Workshops bietet die Workshopleitung im biografischen Gespräch Einblicke in Coming-Out, Diskriminierungserfahrungen und die Lebenswirklichkeiten von LSBTIQ*-Personen. Wir bieten den Teilnehmenden ebenso die Möglichkeit, offen oder anonym Fragen zu stellen und eigene Vorbehalte, Vorurteile und Unsicherheiten anzusprechen. Im Mittelpunkt stehen dabei jederzeit die Biografien der SCHLAU-Teamer*innen, die Jugendlichen selbst sollen und müssen nichts aus ihrem Privatleben erzählen.
Die Nachbereitung des Workshops erfolgt durch die Workshopleitung im Anschluss an die Veranstaltung. Teammitglieder geben sich gegenseitig Feedback und besprechen gelungene Momente und Schwierigkeiten, die möglicherweise während des Workshops aufgetreten sind. Die Workshops werden auch in den Teamsitzungen der lokalen SCHLAU-Gruppen reflektiert. Wünschenswert ist zudem ein Nachgespräch mit der Lehrkraft oder der pädagogischen Fachkraft, um mitzuteilen, welche Themen den Teilnehmenden besonders wichtig waren, wo weitere Anknüpfungspunkte liegen und welche weiteren Bedarfe die Jugendlichen ggf. haben.
Einige Projekte geben zudem Evaluationsbögen aus, um Feedback von den Teilnehmenden und der Lehrkraft zu erhalten. Die Auswertung der Fragebögen erfolgt ebenfalls in den Teamsitzungen der Lokalprojekte.
Zu den typischen Fragen von Teilnehmer*innen zählen:
Diese Fragen werden durch die SCHLAU-Teamer*innen biografisch beantwortet, d.h. sie erzählen über ihre eigenen Erfahrungen als Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter*. Anhand dieser Erfahrungen zeigen wir auch auf, was strukturelle Diskriminierung ist und wie gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen funktionieren.
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Im Frühjahr 2012 haben sich die lokalen SCHLAU-Projekte und die Landesnetzwerke zum ersten Mal auf länderübergreifende Qualitätsstandards geeinigt, in denen Ziele, Inhalte und Praxis unserer Arbeit festgehalten wurden. Außerdem regeln die Standards, welche Voraussetzungen unsere Teamer_innen mitbringen müssen und wie sie qualifiziert werden.
Im Herbst 2015 wurden diese Standards komplett überarbeitet. Denn einerseits haben sich die Anforderungen von Schulen, Sportvereinen oder Eltern verändert, andererseits hat sich SCHLAU konzeptionell immer stärker als menschenrechtsbasiertes Antidiskriminierungsprojekt verstanden. Diese Entwicklung wirkt methodisch bereits seit vielen Jahren, durch die zunehmende Professionalisierung wurde es jedoch Zeit, dies auch in den Standards zum Ausdruck zu bringen.
Wir sind überzeugt, dass Standards ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung sind. Sie schaffen Transparenz nach Außen und geben einen klaren Rahmen vor, in dem unsere Workshops ablaufen. Unsere Standards können Sie hier nachlesen: DOWNLOAD-LINK
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Das in unseren Workshops verwendete Methodenrepertoire basiert auf der „SCHLAUen Kiste“, einer Methodensammlung die von SCHLAU NRW in Zusammenarbeit mit dem nordrheinwestfälischen Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Alter und Pflege entwickelt wurde. Darin finden sich Methoden der Menschenrechtsbildung, der Antidiskriminierungspädagogik sowie der Pädagogik vielfältiger Lebensweisen.
Die SCHLAUE Kiste setzt auf:
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Unsere Teamer*innen werden persönlich, fachlich und didaktisch geschult und arbeiten nach evaluierten Konzepten und festen Qualitätsstandards. Der Großteil unserer Teamer*innen arbeitet ehrenamtlich und ist selbst lesbisch, bi, schwul, inter*, trans* oder queer.
Unsere Teamer*innen moderieren, motivieren, intervenieren und organisieren die SCHLAU-Workshops. Sie führen niedrigschwellig und altersgerecht in das Themengebiet sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität mit Hilfe von Begriffsklärungen und ausgewählten Methoden ein. In autobiografischen Gesprächen geben sie einen Einblick in ihre persönliche Biografie, beantworten Fragen der Teilnehmenden und thematisieren Vorurteile und Rollenbilder.
Das Aufnahmeverfahren neuer Teamer*innen umfasst ein Kennenlerngespräch, eine Hospitationsphase vor dem eigenverantwortlichen Einsatz sowie ein Grundqualifizierungsseminar. In der Grundqualifikation werden die Grundlagen und Standards unserer Arbeit vermittelt. Das Seminar wird von erfahrenen Teamer*innen durchgeführt und basiert auf länderübergreifenden Standards, die für alle SCHLAU-Projekte und –Netzwerke gelten.
Zusätzlich gibt es regelmäßig lokale und überregionale Angebote zur Weiterbildung und gemeinsamen Reflektion der Arbeit von SCHLAU. Dabei wird vorhandenes Wissen vertieft und neue Aspekte von Bildungs- und Antidiskriminierungsarbeit werden kennengelernt.
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Erste Aufklärungsprojekte haben sich in ganz Deutschland bereits Anfang der 1990er Jahre gegründet. Der Name SCHLAU kommt aus Nordrhein-Westfalen: Im Jahr 2000 haben sich mehrere bisher eigenständige Aufklärungsprojekte vernetzt und so das Landesnetzwerk SCHLAU NRW ins Leben gerufen. Das damals zuständige Sozialministerium förderte die Entwicklung einer Methodenkiste, um lesbische und schwule Lebensweisen sichtbarer zu machen: Die SCHLAUE Kiste war erfunden.
Seitdem haben sich die Idee und die Konzepte von SCHLAU in mehreren Bundesländern etabliert. Neben NRW gibt es SCHLAU-Projekte auch in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Ihre Wurzeln hat die Aufklärungsarbeit der 1990er Jahre vor allem in der Sexualpädagogik: Denn es war vor allem der Biologieunterricht und die dort stattfindende Sexualaufklärung, die einen Rahmen für Fragen der Jugendlichen bot. Entsprechend waren es vor allem die Richtlinien zur Sexualerziehung, die erstmals das Thema Homosexualität auf die schulische Agenda setzen.
Seit den 1990er Jahren ist allerdings viel geschehen: Die gesetzliche Gleichstellung von lesbischen und schwulen Partnerschaften wurde immer selbstverständlicher und insbesondere in den letzten Jahren haben auch die Themen Trans* und Inter* den Sprung auf die politische, mediale und gesellschaftliche Agenda geschafft. Die Akzeptanz von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und inter* Menschen hat insgesamt zugenommen. Heute ist es nicht länger nur eine Aufgabe des Biologieunterrichts oder der Sexualaufklärung über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu sprechen. Gleichberechtigung ist interdisziplinär bedeutend und somit auch eine politische, eine menschenrechtliche, eine religiöse oder moralische Frage.
Methodisch hat sich SCHLAU daher immer stärker auf Menschenrechtsbildung und Antidiskriminierungspädagogik fokussiert und damit auch eine Angebotslücke geschlossen. Heute kooperieren wir selbstverständlich mit sexualpädagogischen Aufklärungsprojekten von profamilia oder den AIDS-Hilfen, greifen selbst aber nicht mehr auf entsprechende Konzepte zurück. Wir sind überzeugt, dass die Selbstverständlichkeit und Sichtbarkeit von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* gesteigert werden kann, wenn die Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt fächerübergreifend und aus vielen verschiedenen Perspektiven zur Sprache gebracht werden.
Bildungsprojekte, die zu ähnlichen Schwerpunkten arbeiten, gibt es darüber hinaus im gesamten Bundesgebiet. Viele davon sind über den Verein Queere Bildung e.V. vernetzt und im regelmäßigen Austausch.
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Dieser Ansatz wendet sich gegen die weit verbreitete Praxis, Homo- und Bisexualität als von der heterosexuellen Norm abweichende Sexualitätsformen darzustellen. Denn damit wird die starre Struktur von Normalität und Abweichung verfestigt und gefördert. Stattdessen sollten alle Lebensweisen unabhängig von ihrer quantitativen Existenz wertschätzend entfaltet werden können. Homo- und Bisexualität, Transgeschlechtlichkeit und viele weitere geschlechtliche Identitäten und sexuelle Orientierungen werden als Ausdruck geschlechtlicher und sexueller Vielfalt verstanden.
SCHLAU-Workshops decken die Ausgrenzung von nicht-heterosexuellen und nicht-cis-geschlechtlichen Lebensweisen auf, thematisieren die dahinterliegenden Diskriminierungsmechanismen und hinterfragen die Dominanz gesellschaftlicher Normen und Normalitäten.
Menschenrechte sind universelle Gleichheitsrechte. Das Gleichheitsprinzip verspricht allen Menschen die Chance, ihren eigenen, individuellen und auch „besonderen“ Lebensentwurf in Freiheit zu finden und zu verwirklichen (vgl. Susanne Baer 2008). Menschenrechte begründen somit den Anspruch auf die freie und gleichberechtigte Selbstbestimmung jedes einzelnen Menschen. Sie zielen auf die Förderung von Einstellungen, Umgangs- und Verhaltensweisen, welche die Rechte anderer respektieren.
Durch das biografische Erzählen nehmen SCHLAU-Workshops Bezug auf die Selbstbestimmung des eigenen Lebensentwurfes. Die Erziehung zu Toleranz und Respekt kann nicht in erster Linie gelehrt werden, sondern wird erst durch die Weitergabe und das Erzählen persönlicher Erfahrungen erfahrbar und lernbar gemacht.
Das SCHLAU-Konzept nimmt bewusst eine intersektionale Perspektive ein. Dabei wird auf die Verschränkungen unterschiedlicher Diskriminierungsmerkmale hingewiesen, wie z.B. das Geschlecht, die sexuelle Orientierung oder die ethnische Herkunft. Angehörige nicht privilegierter Gruppen sind nicht nur sozial, ökonomisch, rechtlich oder politisch benachteiligt, sie erleben auch einen „Mangel an Respekt, der darin besteht, nicht wahrgenommen und nicht als vollwertige Menschen angesehen zu werden“ (vgl. Richard Sennett 2000). Diese Perspektive zeigt auf, dass Vielfalt als ein Merkmal aller Menschen zu begreifen ist und alle Menschen auf unterschiedliche Weise von Vorurteilen und Diskriminierung berührt werden: Insofern sind alle Menschen selbst Träger*innen von Vielfalt.
SCHLAU versteht Vielfalt deshalb als einen bereichernden Zustand. Unsere Methoden eröffnen bei unseren Teilnehmenden Perspektiven für die Entwicklung eines Vielfaltsbewusstseins. Durch das biografische Gespräch mit Teamer*innen entsteht eine Begegnungskultur, die nicht durch Abgrenzung und Geschlossenheit, sondern durch gegenseitigen Respekt und Offenheit bestimmt ist.
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